In einer Welt, in der Gewinnmaximierung und Quartalszahlen oft die Unternehmensstrategie dominieren, stand ein Mann für eine gänzlich andere Vision: Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm. Seine Geschichte ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch inspirierend für alle, die nach einem sinnvolleren Weg des Wirtschaftens suchen. Doch was machte seinen Ansatz so besonders? Und was können wir heute – in Zeiten großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche – von seinem Führungsverständnis lernen?
Der Erfolg von dm spricht für sich: Über 3.800 Filialen in Europa, mehr als 66.000 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von über 12 Milliarden Euro. Doch hinter diesen beeindruckenden Zahlen steht eine Unternehmensphilosophie, die den Menschen konsequent in den Mittelpunkt stellt und Wirtschaft als Dienst am Kunden versteht.
Die 5 Hot Points aus Götz Werners Führungsphilosophie
- Sinn vor Gewinn
Unternehmerischer Erfolg beginnt mit einem klaren Warum – wirtschaften als Dienst am Menschen, nicht als Selbstzweck. - Vertrauen statt Kontrolle
Verantwortung wächst dort, wo Führung loslässt: dezentrale Entscheidungen, Eigenverantwortung und echte Mitgestaltung. - Werte, die gelebt werden
Authentizität statt Marketingfloskeln – bei dm prägten Verantwortung, Nachhaltigkeit und Wertschätzung jede Handlung. - Wachstum wie ein Baum
Kein Aufblähen um jeden Preis, sondern stabiles, organisches Wachstum im Einklang mit Ressourcen und Umfeld. - Dialog statt Monolog
Führung heißt zuhören – durch offene Kommunikation entsteht eine Kultur, in der Innovation und Entwicklung gedeihen.
Der Mensch im Zentrum: Werners Führungsverständnis
„Wirtschaft ist nicht für die Wirtschaft da, sondern für den Menschen,“ sagte Götz Werner einmal. Dieser Grundsatz durchdrang sein gesamtes unternehmerisches Handeln. Als er 1973 seinen ersten dm-Drogeriemarkt in Karlsruhe eröffnete, hatte er bereits eine klare Vision: Ein Unternehmen zu schaffen, das nicht primär den finanziellen Gewinn in den Mittelpunkt stellt, sondern das Wohlbefinden aller Beteiligten – der Kunden, der Mitarbeiter und der Gesellschaft insgesamt.
Werner erkannte früh, dass nachhaltige Wertschöpfung nur dann möglich ist, wenn alle Beteiligten vom Unternehmenserfolg profitieren. Dies führte zu einem radikal anderen Führungsansatz als in klassischen hierarchischen Strukturen.
Anstatt auf Kontrolle und Mikromanagement zu setzen, schuf Werner eine Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung. „Die Filiale ist das Zentrum unseres Unternehmens,“ betonte er immer wieder. Damit stellte er die traditionelle Organisationspyramide auf den Kopf. Die Zentrale war in seinem Verständnis ein Dienstleister für die Filialen, nicht umgekehrt.
Diese Haltung spiegelte sich in konkreten Maßnahmen wider:
- Dezentrale Entscheidungsstrukturen: Filialteams erhielten weitreichende Entscheidungskompetenzen
- Entwicklungsmöglichkeiten für alle: Systematische Förderung von Mitarbeitern auf allen Ebenen
- Dialogische Führung: Regelmäßiger Austausch statt Top-down-Anweisungen
- Lernen als Grundprinzip: Fehler wurden als Lernchance begriffen, nicht als Versagen
Diese Prinzipien mögen heute moderner klingen als zu der Zeit, als Werner sie implementierte. Damals waren sie geradezu revolutionär.
Organisches Wachstum: Die Natur als Vorbild
Besonders bemerkenswert an Werners Ansatz war sein Verständnis von Wachstum. Anders als viele seiner Zeitgenossen strebte er nicht nach explosionsartigem Wachstum oder aggressiver Expansion. Stattdessen orientierte er sich an natürlichen Wachstumsprozessen – ein Prinzip, das heute unter dem Begriff „organisches Wachstum“ bekannt ist.
„Ein Unternehmen sollte wachsen wie ein Baum,“ erklärte Werner, „nicht wie ein aufgeblasener Ballon.“ Diese Metapher verdeutlicht sein tiefes Verständnis von nachhaltigen Entwicklungsprozessen. Ein Baum wächst kontinuierlich, aber im Einklang mit seinen Ressourcen und seiner Umgebung. Er entwickelt starke Wurzeln, bevor er in die Höhe schießt. Genau so sollte auch ein Unternehmen wachsen: auf einem soliden Fundament, in einem angemessenen Tempo und im Einklang mit seiner Umwelt.
Dieses Prinzip hat dm vor vielen Fehlern bewahrt, die andere Unternehmen in ihrem Expansionsdrang begangen haben. Statt kurzfristiger Erfolge stand bei Werner immer die langfristige Perspektive im Vordergrund.
Werte als Kompass: Authentizität statt leerer Worte
Viele Unternehmen schmücken sich heute mit wohlklingenden Werteleitbildern. Doch bei dm wurden die Unternehmenswerte tatsächlich gelebt – allen voran durch Götz Werner selbst. Seine persönliche Integrität und Authentizität machten ihn zu einem glaubwürdigen Vorbild.
Die Werte, die Werner propagierte, waren nicht bloße Lippenbekenntnisse, sondern die Grundlage für konkrete Entscheidungen:
- Verantwortung: Jeder Mitarbeiter wurde ermutigt, Verantwortung zu übernehmen
- Wertschätzung: Respektvoller Umgang miteinander als Grundprinzip
- Nachhaltigkeit: Langfristiges Denken prägte alle Unternehmensbereiche
- Partnerschaftlichkeit: Lieferanten wurden als Partner betrachtet, nicht als Gegner
„Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt,“ lautete einer von Werners Leitsätzen. Seine klare Werteorientierung gab dem Unternehmen Richtung und Halt – auch in turbulenten Zeiten.
Mitarbeiterentwicklung als Schlüssel zum Erfolg
Ein zentraler Aspekt in Werners Führungsphilosophie war die kontinuierliche Entwicklung seiner Mitarbeiter. Er verstand Mitarbeiterförderung nicht als luxuriösen Zusatz, sondern als fundamentale Notwendigkeit für den Unternehmenserfolg.
„Der Mensch steht im Mittelpunkt“ war für Werner keine leere Phrase, sondern Ausgangspunkt für umfassende Personalentwicklungsmaßnahmen. Dabei ging es ihm nicht nur um fachliche Qualifikationen, sondern auch um die Persönlichkeitsentwicklung.
Konkret bedeutete dies:
- Innovative Ausbildungsprogramme für junge Menschen
- Regelmäßige Entwicklungsgespräche für alle Mitarbeiter
- Förderung von Eigeninitiative und Selbstverantwortung
- Eine Fehlerkultur, die zum Lernen ermutigt
Werner erkannte früh, dass zufriedene und gut ausgebildete Mitarbeiter der Schlüssel zu zufriedenen Kunden sind. Diese Erkenntnis führte zu einer bemerkenswerten Mitarbeiterbindung und -motivation, die bis heute ein Markenzeichen von dm ist.
Die geringe Fluktuation bei dm im Vergleich zur Branche spricht für sich: Menschen, die sich wertgeschätzt fühlen und Entwicklungsmöglichkeiten haben, bleiben ihrem Unternehmen treu.
Die Kraft der Kommunikation: Dialog statt Monolog
Ein weiteres prägendes Element in Werners Führungsstil war seine Kommunikationsfähigkeit. Er verstand Führung nicht als Einbahnstraße, sondern als kontinuierlichen Dialog. Regelmäßige Gesprächsrunden, offene Feedback-Kultur und transparente Kommunikation waren für ihn selbstverständlich.
Besonders beeindruckend war seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und gleichzeitig tiefgründige Fragen zu stellen, die zum Nachdenken anregten. Er sprach nicht von oben herab, sondern begegnete seinen Mitarbeitern auf Augenhöhe.
Seine Überzeugung: „Führen heißt, die Bedingungen zu schaffen, unter denen Menschen ihre Fähigkeiten optimal entfalten können.“ Diese Haltung schuf eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit, die Innovation und Kreativität förderte.
Gesellschaftliche Verantwortung: Unternehmer & Gründer als Gestalter – dafür ist Götz Werner bekannt
Götz Werner beschränkte seinen Wirkungskreis nicht auf sein Unternehmen. Er verstand sich als gesellschaftlicher Gestalter und engagierte sich für Themen, die weit über das Tagesgeschäft hinausgingen. Besonders bekannt wurde er als Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens, für das er sich jahrzehntelang einsetzte.
Seine Begründung war ebenso einfach wie tiefgründig: „Ein Mensch soll nicht arbeiten müssen, um zu leben, sondern leben können, um zu arbeiten.“ Werner erkannte, dass sinnstiftende Arbeit ein menschliches Grundbedürfnis ist, das aber nur dann erfüllt werden kann, wenn die materielle Existenz gesichert ist.
Dieses gesellschaftliche Engagement entsprang derselben Grundhaltung, die auch sein unternehmerisches Handeln prägte: der Überzeugung, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlicher Nutzen keine Gegensätze sein müssen, sondern sich im besten Fall gegenseitig bedingen.
Aktuelle Relevanz: Was wir von Werner lernen können
In einer Zeit, in der viele Unternehmen nach einer neuen Sinnhaftigkeit suchen, ist Götz Werners Vermächtnis aktueller denn je. Seine Prinzipien bieten wertvolle Orientierung für moderne Führungskräfte:
- Sinn vor Profit: Ein klarer Unternehmenszweck jenseits reiner Gewinnmaximierung schafft Orientierung und Motivation
- Vertrauen statt Kontrolle: Mitarbeiter, denen vertraut wird, übernehmen mehr Verantwortung
- Nachhaltiges Wachstum: Langfristiger Erfolg erfordert organische Entwicklung statt kurzfristiger Optimierung
- Werte als Fundament: Authentisch gelebte Werte schaffen Stabilität in unsicheren Zeiten
- Dialogische Führung: Echte Gespräche auf Augenhöhe fördern Innovation und Engagement
Diese Prinzipien sind keine theoretischen Konstrukte, sondern praktisch erprobte Erfolgsrezepte, wie der langfristige Erfolg von dm beweist.
Die Integration in moderne Organisationsentwicklung anhand eines Drogeriemarkts
Werners Ideen lassen sich hervorragend in moderne Ansätze der Organisationsentwicklung integrieren. Sie passen zu aktuellen Konzepten wie:
- Agile Organisationsformen: Selbstorganisation und Eigenverantwortung als Grundprinzipien
- Purpose-Driven Organizations: Der Unternehmenszweck als zentraler Orientierungspunkt
- Systemische Organisationsentwicklung: Das Unternehmen als lebendiger Organismus
- Werteorientierte Führung: Werte als Grundlage für Entscheidungen und Handlungen
Besonders spannend ist die Verbindung zu organischen Wachstumsmodellen, die Unternehmen als lebendige Systeme begreifen, die ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgen wie natürliche Organismen.
Herausforderungen bei der Umsetzung
So überzeugend Werners Ansatz auch sein mag – seine Umsetzung ist nicht ohne Herausforderungen. Zu den häufigsten Hürden gehören:
- Kurzfristiger Erfolgsdruck: Viele Unternehmen stehen unter dem Druck, schnelle Ergebnisse zu liefern
- Gewohnheitsmuster: Etablierte Hierarchien und Kontrollsysteme lassen sich nicht über Nacht verändern
- Fehlende Vorbilder: Führungskräfte brauchen authentische Rollenmodelle für neues Führungsverhalten
- Mangelndes Vertrauen: Vertrauensbasierte Führung erfordert Mut und Überwindung von Ängsten
Diese Herausforderungen sind real, aber überwindbar – wie das Beispiel dm zeigt. Der Schlüssel liegt in einer schrittweisen, konsequenten Transformation, die bei der Führungsebene beginnt und nach und nach die gesamte Organisation durchdringt.
Praktische Schritte für Führungskräfte
Wie können Führungskräfte Werner’sche Prinzipien in ihrem eigenen Wirkungsbereich umsetzen? Hier einige praxisnahe Ansatzpunkte:
- Reflexion des eigenen Führungsverständnisses: Was ist mein persönliches Bild von guter Führung?
- Klärung des Unternehmenszwecks: Welchen Beitrag leistet unser Unternehmen für die Gesellschaft?
- Dialog mit Mitarbeitern intensivieren: Regelmäßige Gespräche jenseits operativer Themen
- Verantwortung delegieren: Entscheidungskompetenzen bewusst abgeben
- Werte definieren und leben: Welche Werte sind uns wichtig und wie setzen wir sie konkret um?
- Personalentwicklung priorisieren: Zeit und Ressourcen für Mitarbeiterentwicklung bereitstellen
- Organische Entwicklung fördern: Wachstumsziele an natürlichen Prozessen orientieren
Diese Schritte erfordern Mut und Ausdauer, führen aber zu nachhaltigeren Ergebnissen als kurzfristige Managementtrends.
Ein Erbe, das weiterlebt
Götz Werner hat uns mehr hinterlassen als eine erfolgreiche Drogeriemarktkette. Sein Vermächtnis ist ein grundlegend anderes Verständnis von Unternehmertum – eines, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und wirtschaftliches Handeln in einen größeren gesellschaftlichen Kontext einbettet.
Seine Vision eines sinnorientierten, wertebasierten Unternehmertums ist heute relevanter denn je. In einer Welt voller Umbrüche und Transformationen brauchen wir Orientierung und Inspiration. Werners Lebenswerk bietet beides.
Die gute Nachricht: Seine Prinzipien sind nicht an seine Person gebunden, sondern lassen sich von jedem umsetzen, der den Mut hat, neue Wege zu gehen. Sie erfordern keine besonderen Voraussetzungen, sondern vor allem die Bereitschaft, den Menschen wirklich in den Mittelpunkt zu stellen.
Werners Credo „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ ist kein naiver Idealismus, sondern ein praktisch erprobter Weg zu nachhaltigem unternehmerischem Erfolg. Sein Beispiel zeigt: Wirtschaftlicher Erfolg und menschliche Werte müssen keine Gegensätze sein – im Gegenteil, sie können sich gegenseitig beflügeln.
Zusammenfassung – wer war der dm-Gründer G. Werner
Götz Werner, der 1944 in Heidelberg geborene Gründer von dm-drogerie markt, hatte ein einfaches, aber tiefgreifendes Mantra: Beständig bemüht und bescheiden in der Erwartungshaltung. Dieses Lebensmotto durchzog wie ein roter Faden sein Denken, Handeln und seine Unternehmensphilosophie.
Für Werner – Drogist, bekennender Anthroposoph und Professor am Institut für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe – war Erfolg kein Ziel, sondern ein Ergebnis innerer Haltung und konsequenter Umsetzung von Werten wie Menschlichkeit, Vertrauen und Eigenverantwortung. Als Gründer Götz Werner 1973 in Karlsruhe die erste dm-Filiale eröffnete, hatte er nicht primär „milliarden euro Umsatz“ im Sinn, sondern ein menschenfreundliches Unternehmen, das auf unautoritäre, dialogische Führung setzte. Werner sagte einst, dass „Unternehmensführung immer auch Lebensführung“ sei – ein Satz, der bis heute durch die dm-Werner-Stiftung und die Arbeit seines Sohns Christoph Werner, heutiger Vorsitzender der Geschäftsführung, weiterlebt.
Werner, der 2010 seine Unternehmensanteile an eine gemeinnützige Stiftung übertrug, blieb trotz seines Status als Milliardär dem Prinzip des Bedingungslosen Grundeinkommens treu. Der „Realträumer“, wie ihn viele nannten, war ein früher Verfechter dieser Idee in Deutschland und machte sie auch über seine Rolle als Professor des Instituts für Entrepreneurship bekannt. Seine Wurzeln – die Drogistenlehre in Konstanz, die Handelsschule, das Aufwachsen in einer Drogistenfamilie – prägten sein Denken ebenso wie sein Engagement gegen das Discounter-Prinzip und für eine neue Preisbindung für Drogerieprodukte.
Bis zu seinem friedlichen Tod 2022 im Alter von 78 Jahren blieb er beständig bemüht – ein stiller Revolutionär mit Milliarden-Umsatz, aber ohne Erwartung an Ruhm.
Der nächste Schritt für Sie
Gibt es Aspekte, die Sie in Ihrem eigenen Führungsalltag umsetzen möchten? Oder haben Sie bereits Erfahrungen mit ähnlichen Ansätzen gemacht?
Wir würden uns freuen, von Ihren Gedanken zu erfahren! Welcher Aspekt von Werners Philosophie hat Sie am meisten inspiriert? Teilen Sie Ihre Erkenntnisse in einem persönlichen Gespräch mit uns. Gemeinsam können wir erkunden, wie Sie diese Prinzipien in Ihrem spezifischen Kontext umsetzen können – für eine Unternehmenskultur, die sowohl menschlich als auch wirtschaftlich erfolgreich ist.